Von der Linie in die Matrix

Unter dem Projektnamen #OneGK hat die Deutsche Kreditbank AG in rund einem Jahr das Organisationsmodell für 140 Mitarbeitende im zentralen Geschäftskundensegment umgestellt. Das Besondere an dieser Reorganisation: Die Neugestaltung hat nicht etwa eine Unternehmensberatung übernommen, sondern wurde von Mitarbeitenden und Führungskräften entwickelt. Begleitet wurde der Prozess von einem internen Change Team.

Für Privatkund:innen ist die Deutsche Kreditbank AG (DKB) die zweitgrößte Direktbank in Deutschland. Das ebenso große, zweite Standbein der Bank liegt im Geschäftskundensegment. Dort hat sich die DKB auf ausgewählte Zukunftsbranchen spezialisiert: erneuerbare Energien, Wohnen, Kommunen, Infrastrukturen, Gesundheit und Bildung sowie Landwirtschaft und Tourismus. Die zentrale Steuerung dieser Kundengruppen erfolgte bisher aus drei eigenständigen Zentralbereichen mit insgesamt 140 Mitarbeitenden.

Zunehmende Komplexitäten, neue Kundenbedürfnisse, ausgebaute Schnittstellen zu den Vertriebseinheiten in ganz Deutschland und steigende regulatorische Anforderungen führten zu Doppelstrukturen und -arbeit in den drei Bereichen. Zugleich zeigte sich, dass neue Aufgaben insbesondere zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit zunehmend in „Task Forces“ nur gemeinsam gelöst werden konnten. Das vermehrt kooperative Vorgehen war zwar eine gute Entwicklung, passte jedoch nicht zur Linienorganisation in drei einzelnen Einheiten.

Im April 2022 fiel deshalb die Entscheidung: Aus drei Bereichen mit gewachsenen Strukturen sollte ein gemeinsamer, schlagkräftiger Bereich werden. Das Zielbild: ein Bereich, der Produkt- und Portfoliomanagement für die unterschiedlichen Branchen vereint, regulatorische Anforderungen umsetzt und den Vertrieb unterstützt.

Projektorganisation: Vertrauen und Freiraum

Bei jeder Reorganisation stellt sich die Frage: interne Lösung oder externe Begleitung? Je umfangreicher das Projekt, umso häufiger wird eine Beratung ins Boot geholt, um den unvoreingenommenen externen Blick und Erfahrungskoffer einzubringen. Ganz bewusst haben wir uns bei dieser Neuaufstellung für eine interne Lösung und das Vertrauen in die Inhouse- Fähigkeiten entschieden.

Die eigenen Teams wissen am besten, wo die Schmerzpunkte liegen.

Das Projektteam sollte mit unterschiedlichen Hintergründen und Kompetenzen ausgestattet sowie gut vernetzt in den drei Bereichen sein, um sie im Ganzen repräsentieren zu können, dennoch aber nicht zu groß, um beweglich zu bleiben. Es war ein Novum, dass die drei bisherigen Bereichsleitungen nicht Bestandteil des Projektteams waren, sondern als Auftraggeber nur mit Vetorecht nach dem Konsentprinzip agierten. Es erforderte Mut, die eigene Organisationsstruktur nicht selbst zu entwerfen, sondern das Projektteam mit maximalem Freiraum auszustatten. Am Ende war dies einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren des Modells und dessen Akzeptanz. Nur die Projektsteuerung wurde aus einem anderen Bereich rekrutiert, um eine neutrale, aber auch projektsteuerungserfahrene Schlüsselposition zu schaffen. Methodisch begleitet wurde das Projekt vom internen Change Management, das viel Erfahrung im Gestalten von Veränderungsprozessen hat und damit den neutralen Blick einer externen Beratung einnehmen konnte.

Iterative Entwicklung des neuen Organisationsmodells

Das Projekt begann im Frühsommer 2022 mit dem Ziel, die neue Struktur im Juni 2023 zu starten. Der Projektplan war ambitioniert, damit aber auch klar und eindeutig – entscheidend für so ein großes Projekt. Es gliederte sich in vier Phasen:

  • Research-Phase
  • Konzept- und Designphase
  • Besetzungsphase
  • Umsetzungsphase

In der Research-Phase ging es vor allem darum, möglichst viel Wissen sowie viele Bedürfnisse und Anforderungen im Projektteam zu sammeln. Dafür wurden unter anderem rund 50 Interviews mit internen Stakeholdern aus unterschiedlichen Bereichen und den Vertriebsregionen geführt und daraus Anforderungen an den neuen Bereich in zwölf Leitsätzen zusammengeführt. Danach war klar, die Neugestaltung würde ein Frühjahrsputz der Aufgaben und eine organisatorische Kernsanierung werden.

Der erste „Pulse Check“ fand statt, bevor es in die Konzeptionsphase ging. In insgesamt drei Befragungen über den Change-Zeitraum hinweg wurden alle Mitarbeitenden der zu fusionierenden Bereiche zu Akzeptanz und Klarheit der Vision, Prioritäten und zum Wohlbefinden anonym befragt und die Ergebnisse transparent geteilt.

Es folgte die Konzept- und Designphase, in der in drei Sprints iterativ das neue Organisationsmodell entwickelt wurde. Jeder Sprint endete mit einem Review, in dem der neue Prototyp verschiedenen Stakeholdern, wie HR oder den Regionen, vorgestellt und neue Impulse gesammelt wurden. In dieser Phase wurden alle bisherigen Aufgaben der drei Bereiche zerlegt und in neuen, homogenen Clustern auf einem virtuellen Whiteboard vom Projektteam unter neuen Überschriften gebündelt.

Blick in die Werkstatt als Instrument der Transparenz

Außerhalb des definierten Purpose liegende Tätigkeiten sollten eingestellt oder ausgegliedert werden. Als frühes Ergebnis wurde klar, dass neben den marktnahen Aufgaben des neuen Bereichs „Geschäftskunden“ eine eigene funktionelle Struktur für Prozess- und Produktmanagement benötigt wird, die zudem die digitale Transformation mit umschließt. Dies war als zentraler Wettbewerbsfaktor und Schmerzpunkt der Vergangenheit identifiziert worden. Die daraufhin vom Projektteam entwickelte Zielstruktur zweier Matrizen für Markt und Produkte mit drei unterstützenden Linien überzeugte – und gewann aufgrund seiner Form rasch den Spitznamen „Schmetterling“.

Abbildung: die neue Struktur

In Review- und Breakout-Sessions konnten alle Mitarbeitenden einen Blick in die Werkstatt des Projektteams werfen und den aktuellen Entwicklungsstand des Organisationsmodells einsehen – ein enorm wichtiges Instrument, um Transparenz zu schaffen, auch wenn Ergebnisse noch nicht final waren. Es fällt vielen Menschen leichter, einen Veränderungsprozess mitzugehen, wenn sie ihn auch „miterleben“ dürfen und nicht nur Ergebnisse präsentiert bekommen: Change ist Prozess. Deswegen waren auch die Open Hours ein entscheidendes Format, denn:

Veränderung braucht Begleitung.

Es ist völlig normal, dass Menschen unterschiedlich auf Veränderungen reagieren: von Vorfreude bis Angst sind alle Gefühle menschlich. Umso wichtiger war es, dass das Change Team mit den „Open Hours“ ein durchgängiges Format angeboten hat, in dem Mitarbeitende mit oder ohne ihre Führungskraft einen wertfreien Raum für ihre Sorgen, Bedenken und die Möglichkeit zu einem persönlichen Coaching fanden.

Führungskräfte stellen sich bei Mitarbeitenden vor

Es folgte die Besetzungsphase und mit ihr ein Marathon an Formaten. In Roadshows und „All Hands“-Veranstaltungen wurden der „Schmetterling“, die neue Struktur, vorgestellt und viele Fragen dazu beantwortet. In einer einwöchigen, virtuellen Rollenmesse konnten alle bisherigen Führungskräfte und Mitarbeitenden die neuen Rollen kennenlernen und sich ein Bild davon verschaffen, welche Rolle zukünftig die richtige für sie sein könnte. Insgesamt 25 neue Rollen wurden in 32 Terminen mit durchschnittlich rund 70 Teilnehmenden präsentiert. Der Change war radikal: Aus der alten Welt mit überwiegend generalistisch angelegten Rollen wurden in der neuen Welt vor allem spezialisierte Rollen in einer ineinandergreifenden Matrix.

Deswegen war die Besetzungsphase zweigeteilt:

Zunächst wurden die Führungs- und Steuerungsrollen unternehmensweit ausgeschrieben, besetzt und kommuniziert.

An einem Hot-Job-Day stellten sich die neuen Führungskräfte mit ihren neuen Verantwortungsbereichen bei den Mitarbeitenden vor. Alle Mitarbeitenden konnten danach drei Präferenzen für ihre neuen Rollen angeben. Anhand derer wurde die Besetzung durch das Führungsteam vorgenommen. Dabei konnten gut 90 Prozent aller Erst- und Zweitwünsche berücksichtigt werden. Dies ist ein direkter Erfolg der „Rollenmessen“ und des „Hot-Job-Days“, also der intensiven Kommunikation der Rollen und des Systems, und führte damit zu einer hohen Akzeptanz der neuen Struktur.

Die Umsetzungsphase war geprägt von zwei Strängen:

  • Teambuildings und Führungskräfte-Trainings, die ebenfalls vom internen Change Management gestaltet wurden, und
  • der neuen Aufgabenverteilung.

Die Übergabe der operativen Arbeiten erfolgte über „Jira“. Jede einzelne Aufgabe wurde in einem Ticket dokumentiert. Mit dieser Inventur konnten wir sicherstellen, dass keine wichtige Aufgabe in der Übergabe zwischen zwei Teams verloren geht. Wir konnten sie neu priorisieren und hatten auch direkt einen Überblick, wie sich der Workload in der neuen Struktur verteilt. Am 1. Juni 2023 startete die neue Struktur mit allen Mitarbeitenden in ihren neuen Rollen.

 

Auf einen Blick

Projektorganisation

  • Auftraggeber: Vorstand „Geschäftskunden“
  • Projektleitung: Drei Bereichsleiter der drei zu fusionierenden Bereiche
  • Projektsteuerung: Mitarbeiterin aus einem anderen Bereich
  • Projektteam: Sechs Mitarbeitende und Führungskräfte aus den drei zu fusionierenden Bereichen
  • Change Team: Zwei Changemanager und ein Agile Coach

 

Lessons learned: Change ist harte Arbeit für alle

Eine Neuorganisation und Fusion mehrerer Bereiche bedeutet Veränderung für alle gleichermaßen. In unserem Fall arbeiten 140 Mitarbeitende und Führungskräfte nun anders zusammen. Unser neu entstandener Bereich funktioniert gänzlich anders als die drei alten: Aus Generalist:innen sind Spezialist:innen geworden, mit neuen fachlichen und disziplinarischen Vorgesetzten, in neuen Teams, in einer crossfunktionalen Struktur. Das ist nicht nur für die Organisation ein maximaler Change, sondern auch für jede und jeden Einzelnen. Es war deswegen die absolut richtige Entscheidung, uns vom internen Change Team kontinuierlich begleiten zu lassen sowiealle Mitarbeitenden eng an den Prozess zu binden und ganz unterschiedliche Formate anzubieten.

Wir haben uns dafür entschieden, von Anfang an offen mit allen zu teilen, an welchem Punkt wir gerade stehen – in der Entwicklung der neuen Struktur, aber genauso auch im Stimmungsbild innerhalb der Bereiche. Das war schonungslos ehrlich, aber auch maximal transparent und nach meiner Erfahrung entscheidend dafür, dass auch alle, die nicht Teil des Projektteams waren, dennoch aktiv den Change mitgehen konnten. Und es war immens wichtig, bei so einem radikalen Wechsel alles Feedback iterativ aufzunehmen und einzuarbeiten.

Eine besondere Herausforderung dieser Form der Projektorganisation gab es für die Führungskräfte der alten Linienstruktur im mittleren Management.

Die allermeisten von ihnen waren nicht Teil des Projektteams, aber dennoch als Stimmungsmultiplikatoren verantwortlich für eine positive Haltung gegenüber der Umstrukturierung in ihren Teams – und das trotz persönlicher Unsicherheit zur zukünftigen eigenen Rolle.

Die Neustrukturierung hat allen viel abverlangt: Einsatz, Priorisierung, mutige Entscheidungen und vor allem Offenheit für Neues. Der Change-Kurve entkommt niemand – egal, in welcher Position:

Alle durchlaufen die Höhen und Tiefen der Veränderung.

Je mehr Entscheidungen getroffen wurden, je klarer die Zukunftsvision wurde, umso mehr wuchsen Vertrauen und Zuspruch aus der Belegschaft in die Veränderung.

Wir sind heute zukunftsfit in einem crossfunktionalen Bereich aufgestellt, den wir selbst hundert Prozent passend für uns geschneidert haben. Es war für dieses Projekt genau richtig, die Lösung intern selbst zu gestalten und das heterogene Projektteam mit größtmöglichen Gestaltungfreiheiten auszustatten.

 

 

Autor

Lars Lindemann
ist seit 1997 im DKB-Konzern in verschieden Positionen tätig. Er leitet gemeinsam mit Adeline Schumacher den neuen Bereich „Geschäftskunden“. Zuvor war er Leiter des Bereichs „Firmenkunden“ und hat maßgeblich die Fusion der drei Bereiche verantwortet.
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Fünf Fragen an Sylvia Borcherding, Chief Corporate Officer (CCO), 50Hertz

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Sylvia Borcherding unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

Ich beschäftige mich jetzt schon seit über 20 Jahren mit der Frage, wie wir Organisationseinheiten zukunftsfähig aufstellen. Die „eine“ Transformation gibt es für mich deshalb nicht, Transformation ist vielmehr ein stetiger Prozess. In diesem ist es unsere Aufgabe, immer wieder zu hinterfragen und zu prüfen, ob das, was wir aktuell tun, zu dem passt, wie wir in drei Jahren als Organisation aufgestellt sein müssen. Das setzt eine permanente Veränderungsbereitschaft voraus, die wir im Mindset unserer Mitarbeitenden verankern müssen. Und klar ist das für sie anstrengend, viel anstrengender, als es sich im Gewohnten einzurichten. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die Teams. Ich stehe deshalb im ständigen Austausch mit meinen Kolleg:innen zu fachlichen Themen, aber auch immer wieder zu der Frage: Wie läuft es und was braucht ihr?

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

… die Tatsache:

Veränderung ist die Regel ist und nicht die Ausnahme.

Veränderungen von außen wie eine Pandemie, Kriege oder geopolitische Veränderungen können wir nicht beeinflussen, trotzdem haben sie gravierende Folgen für unsere Abläufe. Weil sie zu Lieferengpässen führen oder zu Engpässen beim Personal. Unternehmen stehen so immer häufiger vor der Aufgabe, diese Veränderungen nicht nur anzunehmen, sondern sie zu antizipieren und sich strukturell auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Aber auch interne Faktoren sorgen für Veränderungen, zum Beispiel der demografische Wandel oder die fortschreitende Digitalisierung. Plötzlich sind bestimmte Skills gefragt, um Aufgaben zu erledigen, die in der Organisation bislang noch gar nicht vorhanden waren.

Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

… eine Geschäftsleitung und Gremien, die antizipieren, welche Herausforderungen künftig auf die Organisation warten und wie man diesen am besten begegnet.

Zweitens müssen diese Szenarien und anstehenden Veränderungsprozesse klar an die Organisation kommuniziert werden. Diesen Prozess muss man aktiv moderieren. Wir erwarten von Führungskräften oft, dass sie fertige Lösungen parat haben, das geht in einer komplexen Welt aber nicht mehr. Vielmehr brauchen wir Mitarbeitende, die sich aktiv einbringen. Jeder Mensch in der Organisation hat eine andere Perspektive, die Summe dieser Perspektiven führt dazu, dass Veränderung eintritt.

Ganz wesentlich ist dabei, dass Feedback von den unterschiedlichsten Stellen in der Organisation kommt. In der Vergangenheit wurden Prozesse oft top-down entschieden, in Teilen sogar von oben diktiert. Das funktioniert nur bedingt. Ein Co-Creation-Prozess, also wirklich eine gemeinsame Entwicklung von Prozessen, ist für mich Erfolgsfaktor Nummer drei.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

Kommunikation ist das A und O. Und einmal gesagt ist vielleicht gehört, aber noch längst nicht angenommen. Ich nutze deshalb jede Gelegenheit, um mit den Menschen, die von Veränderung betroffen sind oder die Veränderungen mitgestalten, über ihre aktuelle Situation zu sprechen. Eine gute Change-Architektur muss der Tatsache Rechnung tragen, dass ich mit meinen Maßnahmen nicht alle Personen gleichermaßen und am gleichen Ausgangspunkt erreiche. Es gibt diejenigen, denen es Spaß macht, „Front Runner“ zu sein, die Lust auf Gestalten und Veränderung haben. Dann gibt es diejenigen, die eher in einer beobachtenden Rolle sind: Erst mal gucken, wie das funktioniert. Und dann diejenigen, die als Verhinderer:innen verschrien sind, weil sie eine eher abwehrende Haltung einnehmen. Ich kann nur empfehlen, allen drei Gruppen gleichermaßen Gehör zu schenken. Die vermeintlichen Verhinderer:innen bringen nämlich oft wichtige Aspekte auf den Tisch, die von den „Front Runnern“ vergessen werden. Und wenn ich die beiden Perspektiven zusammenbringe, dann kann es richtig gut funktionieren.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Als Führungskraft muss ich eine klare Vorstellung davon haben, wohin sich die Organisation entwickeln soll.

Was ist mein Leuchtturm, dem ich folge? Oftmals wird zu Beginn eines Veränderungsprozesses diese Diskussion nicht zu Ende geführt. Was soll in den neuen Strukturen besser laufen? Welche Prozesse wollen wir beibehalten und welche anderen nicht? Wenn ich selbst das Ziel nicht kenne, irre ich auf dem Weg herum und das wird wiederum von der Organisation wahrgenommen.

Wenn ich als Führungskraft keine maximale Klarheit vermittle, dann gehen die Leute, die mit Veränderungen nicht einverstanden sind, genau in diese Lücken rein und besetzen sie mit ihrer eigenen Klarheit. Eine Change-Architektur muss man immer gesamthaft begreifen und man muss die Bedarfe jeder einzelnen Organisationseinheit definieren. Daraus leiten sich dann entsprechende Maßnahmen ab, die ich im Anschluss wiederum auf ihre Wirksamkeit überprüfe. Wenn sie nicht wirksam waren, muss ich neu justieren – immer im Dialog. Veränderungsprozesse sind eine Daueraufgabe.

 

 

Autorin

Sylvia Borcherding
ist Arbeitsdirektorin bei 50Hertz und verantwortet seit 2020 als Mitglied der Geschäftsführung das Personalressort und den Bereich Corporate Governance, der auch den Gesundheits- und Arbeitsschutz beinhaltet. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt auf der Transformation, Organisations- und Kulturentwicklung des Unternehmens, das sich in einem von der Energiewende geprägten, international dynamischen und gleichzeitig hoch regulierten Umfeld bewegt.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Andreas Feicht, RheinEnergie AG“

Fünf Fragen an Andreas Feicht, Vorstandsvorsitzender, RheinEnergie AG

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Andreas Feicht unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

… die konsequente Digitalisierung eines Unternehmens der öffentlichen Daseinsvorsorge mit Verantwortung für mehrere Hunderttausend Menschen – die Stadtwerke Wuppertal habe ich fast zwölf Jahre geleitet. Maßstäbe entwickeln, die Menschen bereits aus dem täglichen Umgang mit großen Online-Versandhäusern und Medienangeboten kennen, diese adaptieren auf die Produkt- und Serviceangebote und Kundenschnittstellen eines Stadtwerks, bruchfreie digitalisierte Strecken schaffen: Das war eine spannende und fordernde Aufgabe.

Viele achten nur auf die internen Digitalisierungsprozesse und denken zu sehr in Sparten.

Das reicht nicht: Kunden erwarten schnell und sicher einen Hausanschluss für Energie – keine wochenlangen Formularschlachten und vier verschiedene Anlaufpunkte. Deswegen ist der Ausgangspunkt für die Gestaltung solcher Prozesse die Kundenperspektive.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

… Phasen und Wellen, auf die man gut vorbereitet sein muss:

  • Zunächst besteht vielleicht mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit;
  • dann kommt es zu Ablehnung und Ungläubigkeit, wenn man erfährt, dass wirklich etwas passiert;
  • anschließend werden Protest und alternative Ideen bzw. Vorschläge geäußert;
  • danach gibt es eine allmähliche Aufgabe des Widerstands;
  • und schließlich ein Einlenken in Akzeptanz und Mitarbeit.

Das muss gut und professionell begleitet werden.

Insbesondere der Ablehnungs- und Debattenphase sollte man Raum lassen.

Andererseits sollte man sie steuern und moderiert dafür sorgen, dass die Betroffenen möglichst rasch in die Einsichts- und Unterstützungsphase kommen. Wichtig: Es kann „verschobene“ Phasen geben, etwa wenn man Führungskräfte früher und stärker einbindet als die Belegschaft.

Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

  1. Klarheit über die Ziele;
  2. umfassende Kommunikation über den Nutzen für das Unternehmen, aber auch die Betroffenen;
  3. zügiges professionelles Handeln und persönlicher Einsatz.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

… vor dem Einleiten eines Change-Prozesses zuhören, möglichst viele Beteiligte zu Wort kommen lassen, dann erst ein klares Zielbild von dem entwickeln, was man verändern will, den Weg sauber abstecken. Kritik zulassen und aufnehmen, wenn sie dem Ziel dient. Aber es ist auch wichtig, deutlich zu machen, dass man es ernst meint.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Von Anfang an Klarheit darüber herstellen, was man vorhat, warum man es vorhat und wie man es tun wird. Dazu gehört auch: unangenehme Wahrheiten von Anfang an aussprechen; Sachlichkeit und das Ziel des Ganzen zum obersten Prinzip machen; klarstellen, dass es immer ums Unternehmen geht, das Projekt bzw. die Veränderung ist nur Mittel zur Verbesserung.

 

changement! Heft 01/2024

 

Autor

Andreas Feicht
ist seit 2022 Vorsitzender der RheinEnergie AG Köln sowie der GEW Köln AG. Von 2019 bis 2022 arbeitete er als Staatssekretär für Energiepolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Davor war Andreas Feicht zwölf Jahre lang Vorsitzender der WSW Energie & Wasser AG sowie Vorsitzender der Geschäftsführung WSW Wuppertaler Stadtwerke GmbH und der WSW mobil GmbH.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Martina Niemann, DB Cargo“

Mit Kopf und Herz dabei

Mit #EsBeginntBeiMir hat Continental seine erste interne Employer- Branding-Kampagne gestartet. Ziel ist es, die Mitarbeiterbindung zu stärken, indem unter anderem die Arbeitgebermarke auch nach innen erlebbar und deutlich wird, was Continental von anderen Arbeitgebern unterscheidet. Klar ist: Beschäftigte, die sich mit dem Unternehmen identifizieren, sind in der Regel besonders zufrieden und loyal – und sie sind wichtige Markenbotschafter.

Lange Zeit war Employer Branding ein Thema, das vor allem nach außen gedacht wurde: Unternehmen investierten in den Aufbau einer starken Arbeitgebermarke, um die besten Talente am Markt für sich zu begeistern.

Doch in den vergangenen Jahren ist viel passiert: Der sich verschärfende Fachkräftemangel, die Corona-Pandemie mitsamt ihren Auswirkungen auf unser Verständnis von Arbeit sowie die steigende Wechselbereitschaft deutscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben den Fokus im Personalmarketing erweitert und eine neue wichtige Zielgruppe in den Blickwinkel gerückt: die eigenen Beschäftigten. In Zeiten nie da gewesener Umbrüche der Arbeitswelt, in der Sicherheit und Stabilität längst nicht immer gegeben sind, gilt:

Der pünktliche Gehaltscheck reicht nicht mehr aus, um Menschen an ihren Arbeitgeber zu binden.

Arbeitgebermarke stärken, glaubwürdig sein

Viele dieser Themen betreffen auch Continental. Dies zeigt sich beispielsweise in den Ergebnissen unserer regelmäßigen internen Befragung sowie durch weitere Daten rund um Fluktuation und Retention.

Die Erkenntnisse daraus haben wir zum Anlass genommen, das interne Employer Branding stärker ins Zentrum unserer Aktivitäten zu rücken.

Denn auch wenn eine starke Employer Brand allein kein Garant dafür ist, Menschen langfristig erfolgreich an ein Unternehmen zu binden, merken wir: Beschäftigte, die sich mit Continental identifizieren, sind in der Regel besonders zufrieden und loyal – und tragen dies im Idealfall sogar als Markenbotschafterinnen und Markenbotschafter nach außen. Diese Bindung wollen wir fördern, indem wir unsere Arbeitgebermarke nach innen stärken, erlebbar machen und glaubwürdig zeigen, was uns als Arbeitgeber ausmacht.

Emotionales „Warum“ statt nüchterne Fakten

Das Gefühl von Bindung und Zugehörigkeit baut sich unserer Erfahrung nach nicht über die Vermittlung harter Fakten auf, sondern vielmehr über das emotionale „Warum“ – über das Herausstellen der Motivation, unter allen möglichen Arbeitgebern ausgerechnet Continental zu wählen.

Mit #EsBeginntBeiMir haben wir Anfang 2022 unsere erste interne Employer-Branding-Kampagne gestartet, die bis heute erfolgreich Bestand hat. Das Rad neu erfinden mussten wir dafür nicht, da es bereits an mehreren Stellen im Unternehmen einzelne Maßnahmen gab. Was fehlte, war das gemeinsame Dach, der emotionale rote Faden. Schon im Vorfeld der Konzeption und der damit verbundenen strategischen Überlegungen stand daher fest: Mit unserer internen Employer Brand wollen wir die Köpfe erreichen und die Herzen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berühren. Das „Wir-Gefühl“, das über die Jahre der Pandemie durch die räumliche Distanz in den Hintergrund gerückt war, sollte wieder gestärkt werden.

Überblick

Die Pfeiler des internen Employer Brandings bei Continental

Continental online erleben
Mit dem Advocacy-Programm verbessern wir die Reichweite als Arbeitgeber und nutzen engagierte Beschäftigte als Multiplikatoren in den sozialen Netzwerken. Dabei werden sie unterstützt mit Posting-Vorlagen oder Schulungen, zum Beispiel für LinkedIn.

Continental-Geschichten und Inspirationen erleben
Wir teilen regelmäßig Erfahrungsberichte unserer Beschäftigten. Indem wir zum Beispiel über Diversity-Aspekte oder individuelle Karrierewege berichten, zeigen wir mit diesen Geschichten bewusst auch die persönlichen und menschlichen Seiten der Arbeit bei Continental.

Continental beratend und richtungsweisend erleben
#EsBeginntBeiMir – das gilt auch für die eigene Karriere. Mit dem Karriere Campus haben wir ein Online-Event-Format mit Workshops und Talks zu den Themen Job und Karriere konzipiert. Gestreamt aus dem Inhouse-TV-Studio, mit externen und internen Gästen und eigens gestalteter virtueller Event-Plattform, die Möglichkeiten zum Netzwerken bietet. Bei Interesse können auch Einzeltermine zur Karriereplanung und -Beratung mit HR-Expertinnen und -Experten gebucht werden.

Continental hörbar erleben
Im Corporate Podcast „Flurfunk“ erzählen wir jeden Monat neue Geschichten aus der Arbeitswelt von Continental. Gestartet als
internes Format, ist der Podcast inzwischen auch extern auf allen bekannten Streaming-Plattformen zu hören.

Continental authentisch erleben
Continental hat in Deutschland ein Netzwerk aus 200 Botschafterinnen und Botschaftern aus unterschiedlichen Unternehmens- und Fachbereichen. Diese „Ambassador Community“ versorgen wir regelmäßig mit Informationen und vernetzen sie untereinander mittels diverser Formate (unter anderem gibt es jährliche Conventions, Netzwerktreffen, Trainings, Community Management, Willkommenspakete, Onboarding, Vorlagen).

Continental emotional erleben
Mit dem Kampagnenfilm* und einer dazugehörigen Foto- und Video-Challenge wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Multiplikatoren eingebunden. Die eingereichten und selbst gedrehten kreativen Botschaften von Beschäftigten in Form von Bildern, Videos und Briefen haben gezeigt, dass die emotionale Ansprache funktioniert. Sie wurden mit Merchandising-Paketen und einem Team-Event als Hauptpreis belohnt.


*Unter anderem kann der Kampagnenfilm bei YouTube angeschaut werden.

 

Screenshot Continental-Podcast "Flurfunk"

Im Podcast „Flurfunk“ werden Geschichten aus der Arbeitswelt von Continental erzählt.

Dezentraler Ansatz und zweigleisige Kampagne

Continental, das sind in Deutschland rund 45.000 Beschäftigte an über 50 Standorten mit ganz unterschiedlichen Jobprofilen – von der Produktion bis hin zur Verwaltung. Wichtig bei der Konzeption der Kampagne war uns daher, den Beitrag des einzelnen Mitarbeiters und der einzelnen Mitarbeiterin in den Mittelpunkt zu rücken. Um nicht Gefahr zu laufen, an den Bedürfnissen der Beschäftigten vorbeizukommunizieren, haben wir frühzeitig nicht nur das HR-Management bis hin zum Vorstand involviert, sondern auch die HR- bzw. Kommunikations-Community der deutschen Standorte. Denn diese Kolleginnen und Kollegen „an der Basis“ kennen die lokalen und operativen Herausforderungen am besten.

Dieser weitgehend dezentrale Ansatz entspricht auch unserem Verständnis:

Employer Branding ist keine alleinige Aufgabe der Marketingabteilung , sondern wird erst durch die Umsetzung vor Ort zum Leben erweckt.

Daher sind wir mit der Kampagne zweigleisig gefahren: mit der deutschlandweiten Kommunikation durch die deutschen HR-Kommunikatoren und der lokalen Ansprache an den Standorten.

Damit dies trotz vergleichsweiser geringer Kapazitäten möglich war, haben alle Kommunikatoren von uns eine Art Toolbox an die Hand bekommen. Darin waren enthalten: gebrauchsfertige Materialien, Vorlagen und Checklisten, die sie ohne weitere Abstimmung nutzen und für ihre jeweiligen Bedürfnisse adaptieren konnten (zum Beispiel Plakate, Sticker, Teams-Profilbild-Rahmen und -Background und vieles mehr). Über eine Teams-Community haben wir regelmäßig über Updates informiert und Best Practices aus den Standorten geteilt.

Einbinden der Beschäftigten in die Kampagne

Den kommunikativen Rahmen bildet das Kampagnendach „#EsBeginntBeiMir – Das Ergebnis sind WIR“. Ein Slogan, der neben Wir-Gefühl auch für Ambition, Eigeninitiative und Veränderung steht und sich durch alle Aktivitäten zieht. Zwei davon liegen mir besonders am Herzen, zumal wir damit erfolgreich neue Wege gegangen sind:

  • Der Film #EsBeginntBeiMir „Alltag plus Poesie“ bildete den emotionalen Auftakt der Kampagne. In 1:09 Minuten zeigen wir mit Wortakrobatik im Poetry-Slam-Stil und authentischen Bildern unserer Beschäftigten, was uns bei Continental verbindet – unabhängig davon, ob jemand in der Werkshalle Komponenten für die Mobilität der Zukunft produziert, Software entwickelt oder im Meetingraum am nächsten Marketingkonzept feilt. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Veröffentlichung in die Kampagne einzubinden, haben wir einen Foto- bzw. Videowettbewerb angeschlossen und dazu aufgerufen, uns zu zeigen, wofür sie jeden Tag ihr Bestes geben.
  • Mit dem Continental Karriere Campus haben wir ein halbtägiges, interaktives Online-Event konzipiert mit Workshops und Talks zu den Themen Job und Karriere. Rund 3.000 Beschäftigte waren live dabei oder haben die Aufzeichnung im Intranet angeschaut. Dabei sind rund 60 Fragen eingegangen, die uns ein gutes Stimmungsbild darüber vermittelt haben, was die Menschen im Unternehmen bewegt.

Authentizität vor Hochglanz

Was sind unsere Erfahrungen nach zwei Jahren internem Employer Branding? Für die Beantwortung dieser Frage könnte ich die Auswertung Hunderter KPIs heranziehen, die wir während der gesamten Kampagnenlaufzeit getrackt haben. In Summe können wir repräsentative Aussagen treffen, doch zugleich müssen wir uns eingestehen, dass ein direkter Rückschluss einzelner Maßnahmen auf unser Gesamtziel trotz einer Vielzahl von qualitativen und quantitativen Auswertungen schwierig ist.

Am Ende geht es auch nicht darum, wie häufig ein Video geklickt wurde oder wie viele Menschen wir mit einem Event erreicht haben. Viel bedeutender ist die emotionale Wirkung, die wir mit unseren Aktivitäten erzielen: Haben wir die Kolleginnen und Kollegen motiviert, inspiriert? Haben wir ihre Bindung an Continental als Arbeitgeber stärken können? Diese übergeordneten Fragen können wir mit einem klaren „Ja“ beantworten.

Was die Evaluation unserer Kampagnenaktivitäten auch gezeigt hat: Inhalte mit direktem und erkennbarem
Mehrwert für die Beschäftigten haben den größten Zuspruch erhalten – zum Beispiel der Karriere Campus. Für die Weiterentwicklung unserer internen Employer Brand wollen wir daher den Ideen und dem Input aus dem Kreis der Beschäftigten noch mehr Raum geben. Lediglich 20 Prozent der Inhalte sollen sich um die Themen drehen, die wir als Arbeitgeber platzieren möchten, während 80 Prozent auf das einzahlen, was die Kolleginnen und Kollegen darüber hinaus interessiert: Wie kann ich mich weiterentwickeln? Wie gestalte ich meinen persönlichen Karriereweg und wie unterstützt mich Continental dabei? Dabei adressieren wir auch vermeintlich „heiße Eisen“: Fragen wie „Ist mein Arbeitsplatz zukunftssicher?“ oder „Erwartet mich nach der Elternzeit der Karriereknick?“ stehen sowieso im Raum – warum sie nicht proaktiv für die HR-Kommunikation nutzen?

Maßnahmen entlang der gesamten Employee Journey

Dabei bleiben wir unserem Ansatz treu, solche Themen im Rahmen von Erfahrungsberichten aufzugreifen und Kolleginnen und Kollegen selbst zu Wort kommen zu lassen – so bleiben wir konkret und glaubwürdig. Bei der Entwicklung neuer Formate und Inhalte setzen wir daher ganz bewusst auf Authentizität bzw. Echtheit statt auf Hochglanzinhalte.

Mit diesen und weiteren Erkenntnissen im Gepäck geht die Reise weiter.

Internes Employer Branding ist kein „Quick Win“.

Die Herausforderung liegt darin, konstant am Ball zu bleiben, ein kommunikatives Grundrauschen zu erzeugen und die wichtigsten Botschaften auch mehrfach zu senden, ohne dabei zu langweilen. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unserer internen Employer Brand fortwährend zu begleiten, werden wir unsere Maßnahmen im nächsten Schritt noch zielgerichteter entlang der gesamten „Employee Journey“ ausrichten: von der Einstellung bzw. dem Onboarding bis hin zum Alumni-Programm für Ehemalige.

 

changement! Heft 01/2024

 

 

Autorin

Mina Fetaj
ist seit 2016 bei Continental tätig. Angefangen hat sie im Online-Marketing, später war sie unter anderem in der internen Mitarbeiterkommunikation für die globale Geschäftseinheit Reifen tätig. In ihrer derzeitigen Position als Head of Internal HR Communications Germany widmet sie sich der internen Wahrnehmung der Arbeitgebermarke und der internen Kommunikation.
»Mina bei LinkedIn

Menschen weltweit nutzen ChatGPT und sind fasziniert von den Möglichkeiten des KI-Modells. dm-drogerie markt hat auf die Veröffentlichung schnell mit der Entwicklung eines eigenen Modells reagiert: dmGPT. Der digitale Assistent hilft zum Beispiel bei der Texterstellung oder der Vorbereitung von Workshops. Die Integration in die Arbeitsweise wurde durch die dialogische Unternehmenskultur erleichtert – das heißt auch: Eventuelle Ängste können offen thematisiert werden.

In der heutigen digitalen Zeit hat die Interaktion zwischen Mensch und Maschine eine erstaunliche Transformation erlebt. Ein herausragender Faktor in dieser Entwicklung ist zweifellos ChatGPT – der künstliche intelligente Chatbot hat sich mittlerweile als vielseitiger und zuverlässiger Gesprächspartner und Assistent erwiesen. Menschen weltweit nutzen ChatGPT aus verschiedenen Gründen und sind gleichermaßen von seiner Funktionalität und Anpassungsfähigkeit fasziniert. Von der Unternehmenskommunikation bis zur persönlichen Unterstützung im Alltag – ChatGPT ist ein flexibler Assistent, der immer bereit ist, Fragen zu beantworten, Ratschläge zu erteilen und Informationen bereitzustellen.

Initiative von engagierten Kolleginnen und Kollegen

Seit seiner Erscheinung sind viele Menschen von den vielfältigen Möglichkeiten, die ChatGPT bietet, mehr als angetan. Im Unternehmenskontext gibt es durch die Nutzung von ChatGPT jedoch einige bedenkliche Herausforderungen. Zum einen befinden sich die Server in den USA, was zur Folge haben könnte, dass sensible Unternehmensdaten einer ausländischen Jurisdiktion unterliegen. Andererseits können Nutzerinformationen und -eingaben aktiv erfasst und nicht gesetzeskonform weiterverwendet werden.

Das Potenzial und den Mehrwert für dm-drogerie markt haben wir durch die Initiative einiger engagierter Kolleginnen und Kollegen erkannt, die sich selbst mit dem Thema Künstliche Intelligenz beschäftigen und die Organisation immer wieder darauf aufmerksam machten.

Parallel dazu gab es auch die bewusste Entscheidung des Managements, diese neue Technologie schnell für dm nutzbar zu machen.

Vertraulichkeit und Integrität der Daten

Mit dmGPT haben wir eine unternehmensinterne Alternative zu ChatGPT geschaffen, die wir in unserer eigenen Infrastruktur hosten. Hier bewahren wir die Kontrolle über unsere Unternehmensdaten und gleichzeitig erfolgt die Nutzung von dmGPT nach den gleichen Sicherheitsstandards wie alle anderen Unternehmensanwendungen, um die Integrität und Vertraulichkeit unserer Daten zu gewährleisten.

Screenshot der Oberfläche von dmGPT

Abbildung: Die Oberfläche von dmGPT

Im Frühsommer 2023 haben wir als Test ein GPT-Modell auf Basis der Microsoft Azure Services bereitgestellt und ein open-source Frontend darübergelegt

In der Pilotphase war das GPT-Modell zunächst wenigen Mitarbeitenden zugänglich. Anfängliche Fehler haben wir behoben. In der nächsten Phase bis Juni 2023 konnten bereits alle rund 1.100 Mitarbeitenden von dmTECH auf dmGPT zugreifen. Und ab Juli 2023 konnten wir das gesamte dialogicum mit rund 3.500 Nutzerinnen und Nutzern auf dmGPT aufschalten und begleiten dies seit jeher mit Lernangeboten.

Aktuell sind wir im Roll-out für die weiteren 13 verbundenen Länder. Gleichzeitig planen wir den Rollout für die Mitarbeitenden in den dm-Märkten.

Profil

dmTECH

dmTECH hat über 1.200 Mitarbeitende und ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von dm-drogerie markt. Die Arbeitsgemeinschaft verantwortet in Deutschland und in 13 weiteren europäischen Ländern alle informationstechnischen Lösungen in den über 4.000 dm-Märkten, den dm-Verteilzentren und dm-Unternehmenszentralen. Die Produkt-Teams entwickeln nutzenstiftende Lösungen für ihre Kundinnen und Kunden und verwenden dabei modernste Technologien wie Machine Learning, Data Mining und Robotik.

Schlanke Prozesse und Mitarbeitende entlasten

KI ist für uns in erster Linie ein Tool, das wir nutzen, um in unseren Prozessen Mehrwerte zu generieren. Wir beschäftigen uns seit geraumer Zeit intensiv mit KI in verschiedenen Fachgebieten und integrieren diese in unsere Arbeitsabläufe. Unser Ziel ist es, schlanke und robuste Prozesse zu etablieren und unsere Mitarbeitenden zu entlasten.

Innerhalb unserer Arbeitsgemeinschaft betrachten wir dmGPT als wertvolle Ressource und fest etablierten Assistenten, der bei Routineaufgaben wie der Neugestaltung von Texten für spezifische Zielgruppen oder der Vorbereitung von Workshops unterstützen kann.

Die Integration von dmGPT in unsere Arbeitsweise wurde durch unsere offene und dialogische Unternehmenskultur erheblich erleichtert. Wir sind neuen Technologien und Veränderungen aufgeschlossen und suchen nach sinnvollen Anwendungsgebieten für diese Innovationen. Es steht allen Mitarbeitenden unserer Arbeitsgemeinschaft frei, sowohl Vorschläge als auch Bedenken zum Einsatz von dmGPT einzubringen. Dies fördert die aktive Teilnahme und gewährleistet, dass alle Mitarbeitenden ihre Stimme zur Verwendung von dmGPT einbringen können. Diese Prinzipien sind integraler Bestandteil unserer dialogischen Unternehmenskultur, die als Nährboden für die Einführung von Digitalisierung und neuen Technologien dient.

Das Prompting gewinnt weiter an Relevanz

Der Umgang mit ChatGPT muss zunächst erlernt werden. Im Laufe der Jahre haben wir uns daran gewöhnt, bei Suchmaschinen wie Google mit wenigen, aussagekräftigen Schlüsselwörtern ein effizientes Suchergebnis zu erhalten. Durch Sprachmodelle und dmGPT entsteht nun eine ganz neue Herangehensweise beim Verfassen einer Eingabe.

Beim Prompting ist es entscheidend, möglichst viel Kontext und Informationen bereitzustellen.

Daran müssen wir uns alle erst mal noch gewöhnen.

Um unseren Mitarbeitenden eine möglichst einfache Einführung in dmGPT zu ermöglichen, haben wir ein umfassendes Kommunikations- und Lernbegleitungskonzept erarbeitet. In einem eigens erstellten Lernmodul haben wir einen umfangreichen Erfahrungsschatz zu KI, ChatGPT und dmGPT zusammengefasst. Der Schwerpunkt liegt insbesondere auf dem Prompting, da das Beherrschen dieser Technik maßgeblich für den effizienten Einsatz von dmGPT von Bedeutung ist. Das Prompting wird unserer Einschätzung nach in Zukunft weiter an Relevanz gewinnen.

Wir bieten daher Dialogräume an, in denen alle Mitarbeitenden Fragen stellen und Vorschläge an Expertinnen und Experten unterbreiten oder auch Bedenken äußern können. Diese Formate dienen zudem gleichzeitig als Wissensplattform für den Austausch untereinander und werden über digitale Teams-Räume erweitert. Unser Ziel ist es, die Lernangebote sukzessive zu erweitern und zielgruppenspezifisch auszubauen. Dabei möchten wir unseren Kolleginnen und Kollegen nicht nur die Möglichkeit bieten, proaktiv Fragen zu stellen, sondern wir wollen sie auch beispielsweise bei Veranstaltungen, Seminaren oder durch Newsletter zu den vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten inspirieren.

Erläuterung

dmGPT

Für die Nutzung von dmGPT werden bis Ende des Jahres 2023 rund 13.000 Nutzerinnen und Nutzer in den Unternehmenssitzen der dm-Gruppe freigeschaltet sein. Die Funktionen von dmGPT werden derzeit von etwa 4.000 bis 5.000 Anwenderinnen und Anwendern regelmäßig genutzt. Bis Ende des Jahres wird dmGPT in allen Ländern der dm-Gruppe verfügbar sein. Künftig ist geplant, auch den Filialmitarbeitenden einen Zugang zu dmGPT einzurichten. Bis Ende 2023 wird dmGPT zudem um unternehmenseigene Daten angereichert. Neben Informationen zu Produkten werden auch die wichtigsten Inhalte des dm-Intranets verfügbar sein.

 

Der Mensch bleibt in der Verantwortung

Die wohl bedeutendste Fähigkeit unserer engagierten Mitarbeitenden bei dmTECH besteht darin, das komplexe Thema in die verschiedenen Abteilungen zu tragen, den Dialog mit Kolleginnen und Kollegen zu suchen und Anwendungsmöglichkeiten für eine Vielzahl von Themengebieten zu entwickeln. Es ist faszinierend, zu beobachten, wie alle unsere Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Bereichen dmGPT in unsere Organisation integrieren und seinen Nutzen mit Leidenschaft vergrößern wollen.

Die Verwendung von Sprachmodellen wie dmGPT im Arbeitsalltag kann herausfordernd sein, da diese Modelle möglicherweise ab und an sogenannte Halluzinationen erzeugen, insbesondere wenn sehr spezifische Fragen gestellt werden. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass Informationen falsch dargestellt werden. Nutzerinnen und Nutzern kann es schwerfallen, Fakten von Fiktion zu unterscheiden. Deshalb und zur Gewährleistung qualitativer Ergebnisse bleibt das „Human in the loop“-Prinzip zentraler Bestandteil bei der Arbeit mit dmGPT. Sämtliche Ergebnisse, die dmGPT ausgibt, müssen also vor ihrer Weiterverwendung oder Veröffentlichung von einem Menschen überprüft werden.

Offen mit Ängsten und Bedenken umgehen

In unserem Lernmodul gehen wir ausführlich auf diesen Aspekt ein und zeigen anhand von konkreten Beispielen die Grenzen dieser Technologie auf. Wir setzen alles daran, unsere Mitarbeitenden dafür zu sensibilisieren und sicherzustellen, dass dmGPT in einer Weise eingesetzt wird, die höchste Genauigkeit und Verlässlichkeit gewährleistet.

Einige Menschen fühlen sich durch die Effektivität von GPT verunsichert.

Die Technologie hat das Potenzial, ganze Branchen komplett zu verändern.

Insbesondere bei Aufgaben, die sich mit schriftlicher Sprache beschäftigen. Gleichzeitig merken wir bei manchen Menschen eine  grundsätzliche Überforderung durch die Schnelligkeit, mit der Veränderungen kommen. Hier versuchen wir, offen mit Ängsten und Bedenken umzugehen. Alle sollen sich mitteilen können.

 

changement! Heft 09/2023

 

 

Autor

Andreas Gessner
ist Geschäftsbereichsverantwortlicher bei dmTECH. Er verantwortet Themen wie die Prozessautomation, Digital Workplace, Business Intelligence und Anwendungen aus dem Personalwesen bei dm-drogerie markt. 2023 hat er gemeinsam mit weiteren Mitarbeitenden bei dm eine Initiative zum breiten Einsatz von KI-Modellen gestartet, die auf „Large Language Models“ (LLM) basieren.
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Do It Yourself

Interne Beratungen sind in größeren Unternehmen oftmals ein smartes Element im Consulting-Mix. Ihre Aufgaben und Einsatzbereiche sind vielfältig. Gegenüber externen Dienstleistern bringen sie zahlreiche Vorteile mit wie zum Beispiel geringe Reaktionszeiten und eine starke Bindung an das Unternehmen – die allerdings auch zum Problem werden kann. Dennoch gilt: Wenn manche Faktoren beachtet werden, können interne Beratungen der Motor für Veränderungen in einer Organisation sein.

Wir befinden uns in einer Berater-Republik. Täglich arbeiten 170.000 Consultants als Freelancer oder als Teil von Beratungskonzernen wie Accenture oder McKinsey für Unternehmen, Behörden und andere Organisationen. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Saarbrücken, Leverkusen oder Potsdam. Sie verdienen jährlich rund 44 Milliarden Euro und verlangen Tagessätze in Höhe von durchaus 1.500 Euro für Berufsanfänger und 5.000 Euro für Partnerinnen und Partner.

Es ist wichtig, die Kunden zu professionalisieren

Solche Zahlen und Schlagzeilen wie „X gibt Y Euro für externe Beratung aus“ sorgen oft für Empörung. Auf den ersten Blick mag dies verständlich erscheinen.

Das eigentliche Problem ist, dass die Berater- Republik außer Kontrolle zu geraten droht.

Viele Kunden verfügen nur über geringe Kenntnisse im Umgang mit Consultants. Um diesem Problem entgegenzuwirken, ist es wichtig, die Kunden zu professionalisieren. Dazu müssen sie eine Strategie entwickeln, die einen Mix aus Konsultationsexpertise (Auswahl und Beschaffung), Steuerungsexpertise und eigener Beratungsexpertise umfasst.

Besonders Inhouse Consultants spielen eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Beratungsexpertise. In den vergangenen Jahren haben sie sich in vielen Organisationen vom Exoten hin zu einer etablierten gestaltenden Kraft entwickelt. Sie sind in DAX-Konzernen wie der Allianz oder BASF ebenso zu finden wie in mittelständischen Unternehmen oder in Behörden wie dem Verteidigungsministerium oder der Bundesstadt Bonn.

Beraterin und Kundin haben eine gemeinsame Chefin

Zunächst ist der Begriff „interne Beratung“ kurz zu klären. Einschlägige Definitionen gibt es erwartungsgemäß viele; häufig sind sie elaboriert formuliert, teilweise auch theoretisch-unverständlich. Um eine gemeinsame Verständnisbasis zu schaffen, kann „Beratung“ (oder Consulting) als „professionelle Organisationsveränderungsbegleitung“ beschrieben werden: „Professionell“ verweist dabei auf ein Hauptprodukt und grenzt von Nebenleistungen ab (à la: „Hier sind die drei neuen Multifunktionsdrucker, ich berate Sie jetzt noch kurz zur Aufstellung.“).

Mit „Organisation“ ist der Kunde in einem weiten Sinne gemeint, umschließt also beispielsweise Unternehmen, Verwaltungen, Vereine. „Veränderung“ bezieht sich auf positive wie negative Situationen, an denen gearbeitet wird.

Wichtig ist, dass die Verantwortung für Entscheidungen und Ergebnisse immer beim Kunden liegt.

Der Consultant „begleitet“ hier lediglich.

Eine Beratung ist dann eine „interne“, wenn – pragmatisch formuliert – Beraterin und Kundin eine gemeinsame Chefin haben. Es gibt also in der Hierarchie eine Instanz, die mittel- oder unmittelbar beiden Organisationsbereichen Weisungen erteilen darf.

 

Literaturtipps

  • Thomas Deelmann (2023):„Die Berater-Republik“, FinanzBuch Verlag
  • Thomas Deelmann (2023):„Verwaltungsberatung – Leitfaden für Consultants und Behörden“, ESV

Erste interne Beratung bereits im 19. Jahrhundert

Der älteste Hinweis auf eine interne Beratung findet sich bereits im vermutlich ersten modernen Organigramm.

Es stammt aus dem Jahr 1854 und zeigt die Organisation der „New York and Erie Railroad“-Eisenbahngesellschaft. Dort ist eine kleine Consulting-Abteilung markiert, zu der aber keine weiteren Angaben über genaue Aufgaben bekannt sind.

Die erste Gründung einer internen Beratung nach heutigem Verständnis wird dem Bayer-Konzern im Jahr 1971 zugeschrieben. Die Zahl der Inhouse Consulting-Einheiten in Deutschland kann auf sicherlich 150 bis 200 in Unternehmen und weitere 40–50 im öffentlichen Sektor geschätzt werden. Hinzu kommen noch Bereiche, die zwar nicht dem Namen nach, wohl aber mit ihrer Tätigkeit zumindest teilweise interne Beratungsarbeiten übernehmen (zum Beispiel als Stabsstelle Strategisches Controlling).

Beratungsarbeit erfolgt in Form von Projekten

Fragt man Praktikerinnen und Praktiker und konsultiert die einschlägige Literatur, dann ergibt sich ein recht klares Bild über die typischen Aufgaben und Rollen sowie die Vorteile und Herausforderungen interner Beratungen.

Die Beratungsarbeit mit all ihren Facetten wird wenig überraschend als Kernaufgabe gesehen. Sie erfolgt regelmäßig in Form von Projekten, manchmal ausschließlich als Projektmanagementarbeit und eher selten als reine Bereitstellung von Personalressourcen für die Linienorganisation.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Personalentwicklungsfunktion.

Die interne Beratung unterstützt die Mutterorganisation, indem sie beispielsweise Nachwuchskräften die Möglichkeit gibt, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, Neueinsteigern ermöglicht, das Unternehmen durch verschiedene Projekteinsätze kennenzulernen, und erfahrenen Mitarbeitenden eine Perspektive außerhalb der Linie bietet.

Darüber hinaus kann ein Inhouse-Consulting-Bereich auch als Management- und Steuerungsfunktion für die Mutterorganisation agieren. Sie dient dann als Wissens- und Methodenpool für verschiedene Beratungsfragen und unterstützt die Fachabteilungen bei der Auswahl, dem Einkauf und dem Einsatz externer Beratungsleistungen. Die folgende Abbildung veranschaulicht diesen Dreiklang und bietet weitere Details.

Abbildung: Aufgabenspektrum interner Beratungen (Auszug)

Abbildung: Aufgabenspektrum interner Beratungen (Auswahl)

Abhängigkeit von externen Dienstleistern reduzieren

Warum etablieren Unternehmen interne Beratungseinheiten? Die Hauptgründe liegen in betriebswirtschaftlichen und finanziellen Aspekten. DIY-Consulting ist ein Lehrbuchbeispiel für eine Make-or-Buy-Entscheidung, denn durch den Einsatz interner Ressourcen kann der Einsatz teurer externer Beratungen zumindest teilweise vermieden werden.

Ein weiterer Grund ist das kundenspezifische und umsetzungsorientierte Dienstleistungsangebot. Schnelle Reaktions- und geringe Rüstzeiten, Kenntnisse über die Organisation und eine starke Bindung an das Unternehmen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Zwei eher versteckte Vorteile interner Beratungen sind noch zu ergänzen. Zum einen:

Interne Beratungen können bei der Unterstützung von Kulturveränderungen im Unternehmen hilfreich sein.

Die Beraterinnen und Berater kennen und beherrschen einschlägige Werkzeuge und haben durch ihre zahlreichen Projekteinsätze
Kontakt zu Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Fachabteilungen. Dadurch können sie beispielsweise den Einsatz von Methoden demonstrieren sowie Unternehmenswerte vermitteln und vorleben.

Zum anderen bietet die interne Beratung einen strukturellen Vorteil: Sie reduziert die Abhängigkeit von externen Dienstleistern. Eigene Kompetenzen sichern die Autarkie der Mutterorganisation.

Wenn interne Beratungseinheiten so nützlich und effektiv sind, warum haben nicht alle Unternehmen eine solche Einheit? Es gibt natürlich auch Herausforderungen. In erster Linie wird bemängelt, dass die interne Neutralität fehle und es zu Spannungen mit externen Beratungen kommen kann. Diese Punkte sind durchaus berechtigt, aber auch gut zu bewältigen. Kritischer sind jedoch Aspekte wie Betriebsblindheit und ein Mangel an branchenübergreifenden Erfahrungen. Beides ist dem Grund nach zutreffend, kann aber ebenfalls durch etwa eine passende Recruiting-Politik, eine angemessene Fluktuationsrate und die Beteiligung an Netzwerken ausgeglichen werden.

Ein klarer Geschäftsauftrag ist wichtig

Die Anzahl kritischer Untersuchungen rund um den Aufbau interner Beratungen ist gering, daher sind Erfolgsfaktoren noch nicht eindeutig feststellbar. Dennoch lassen sich aus verschiedenen Einzelfallbetrachtungen einige Punkte ableiten, die zumindest
bedacht – und vielleicht auch beachtet – werden sollten.

Im Rahmen des Aufbaus einer internen Beratung erscheinen drei Aspekte hilfreich:

  • ein klarer Geschäftsauftrag sowie eine offene Kommunikation,
  • eine hohe Positionierung in der Hierarchie und
  • die Unterstützung durch die Organisationsführung

Für den Betrieb bzw. das Tagesgeschäft sind folgende Punkte zu beachten:

  • ein neutrales, vorurteilsfreies und integres Verhalten,
  • eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Einheiten der Mutterorganisation und
  • der Verzicht auf einen Kontrahierungszwang zugunsten eines freien Wettbewerbes.

Zudem ist es ratsam, die inhärenten Stärken einer internen Beratung zu berücksichtigen:

  • das kundenspezifische Dienstleistungsangebot,
  • die Umsetzungsfähigkeit von Lösungsansätzen und
  • eine kontinuierliche Mobilisierung interner Ressourcen.

Weder Allheilmittel noch ein Selbstläufer

Interne Beratungen können ein kraftvoller Motor für Veränderungen sein. Dabei ist ein Inhouse Consulting weder ein Allheilmittel noch ein Selbstläufer. Es kann aber dennoch als hilfreicher Baustein für die Bearbeitung einer Vielzahl betrieblicher Probleme dienen und bei der Organisationsgestaltung genutzt werden. „Do It Yourself“ ist dann Teil einer Beratungsexpertise- Strategie der Kundenprofessionalisierung.

Ein Blick in die Zukunft lässt erwarten, dass die Beliebtheit und der Nutzen interner Beratungen weiterhin bestehen bleiben bzw. sogar noch zunehmen werden. Dabei wird es jedoch zu einer größeren Ausdifferenzierung des DIY-Ansatzes kommen, der die Vielfalt des externen Marktes spiegelt. Einige der Neugründungen werden einen langen Atem beweisen und eine gute Reputation aufbauen können, während andere wieder aus den Organigrammen verschwinden.

Eine Positionierung in Bezug auf KI ist nötig

Eine eher kurzfristige Positionierung im Hinblick auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Beratungsgeschäft ist ebenfalls notwendig. KI ist derzeit nicht nur als Projekt- oder Auftragsgegenstand omnipräsent, sondern stellt auch Elemente des Geschäftsmodells der externen Consultants infrage, wenn immer größere Teile der typischen Junior-Consultant-Aufgaben durch KI übernommen und ersetzt werden können.

Manche interne Beratungen haben in der Vergangenheit oft darunter gelitten, dass sie kein Umfeld für das sogenannte Up-or-out-Modell etablieren konnten.

Jetzt profitieren sie davon, weniger Rücksicht auf das streng pyramidale Geschäftsmodell nehmen zu müssen als ihre externen Counterparts. Sie haben die Chance, einen überdurchschnittlichen Nutzen aus der KI-Entwicklung zu ziehen.

 

changement! Heft 09/2023

 

 

Autor

Thomas Deelmann
ist Professor für Management und Organisation an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW und arbeitet seit über 20 Jahren als, mit, für und über Berater (Kontakt: thomas.deelmann@hspv.nrw.de).
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Fünf Fragen an Martina Niemann, Vorstand Finanzen, DB Cargo

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Martina Niemann unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

… dauert noch an und ist die Transformation der DB Cargo AG. Es geht dabei um nichts weniger, als die führende Güterbahn Europas schlagkräftiger aufzustellen und fit für die Zukunft zu machen. Eine anspruchsvolle Aufgabe mit vielen Herausforderungen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nur mit einem starken Schienengüterverkehr die Klimaziele in Deutschland und Europa erreichen. Das Thema Klimaschutz geht uns alle an. Das sehen wir auch im Industriesektor, der sich gerade selbst in einem Transformationsprozess befindet. Klimaneutrale Liefer- und Versorgungsketten gewinnen an Bedeutung und sind zentral für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. Der umweltfreundlichen Schiene kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. Mit der Transformation schaffen wir die Voraussetzungen, auch weiterhin ein starker Partner für die Wirtschaft zu sein.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

… die strategischen Ziele eines Unternehmens. In unserem Falle wollen wir die Produktion und Organisation bei DB Cargo straffen. Das bedeutet, dass wir unsere Komplexität reduzieren und produktiver werden. Ziel ist ein wettbewerbsfähiger Schienengüterverkehr.

Ein weiterer wichtiger Faktor sind aus meiner Sicht die sich verändernden Marktbedingungen oder ganz generell externe Einflüsse. Darunter verstehe ich, dass sich Kundenbedürfnisse immer schneller bzw. Wettbewerbssituationen disruptiver verändern. Oder auch der Umstand, dass durch politische Entscheidungen oder wirtschaftliche Bedingungen Unternehmen in die Situation kommen, ihre Geschäftsmodelle anpassen zu müssen.

Als letzten Punkt möchte ich den technologischen Fortschritt anführen. Gerade im Schienengüterverkehr gibt es eine Vielzahl von technischen Innovationen im Bereich Automatisierung oder Digitalisierung. Diese reichen von digitalen Kamerabrücken in unseren Rangierbahnhöfen bis hin zur geplanten Einführung der „Digitalen Automatischen Kupplung“. Das verbessert die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeitenden und verändert Berufsbilder völlig. Aus den Wagenmeisterinnen und Wagenmeistern, die mit einem Hammer in der Hand einen Güterzug untersuchen, werden „digitale Diagnostiker“ mit Tablet und Bildanalysen.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

… ein klares Commitment in der Führungsebene eines Unternehmens. Alle müssen das gleiche Verständnis haben und an einem Strang ziehen. Die Führungskräfte müssen den Wandel mittragen und ihn vorleben.

Nicht minder wichtig für den Umsetzungserfolg von Change-Management-Maßnahmen sind eine klare Kommunikation und Transparenz. Die Mitarbeitenden müssen verstehen, warum der Wandel notwendig ist und welche Auswirkungen dieser möglicherweise hat. Entscheidend für den Umsetzungserfolg von Maßnahmen sind eine ehrliche, frühzeitige und regelmäßige Kommunikation. Ziel sollte es sein, in einen Dialog mit den Beteiligten zu kommen. Und natürlich kommt der Einbindung und Beteiligung der Mitarbeitenden eine zentrale Rolle zu. Die Erfahrungen zeigen: Menschen sind eher bereit, Veränderungen mitzutragen und zu unterstützen, wenn sie sich in den Change-Prozess einbringen können. Viele Mitarbeitende wollen den Wandel mitgestalten. Als Unternehmen trägt man die Verantwortung dafür, die Voraussetzungen zu schaffen, dass sie auf die anstehenden Veränderungen vorbereitet sind. Dazu gehören für mich ebenfalls Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

… sich mehr Zeit zur Selbstreflexion zu nehmen. Ich will mich auch als Führungskraft immer wieder hinterfragen und prüfen, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Und wenn er das nicht mehr ist, weil sich beispielsweise Rahmenbedingungen verändert haben, ist es wichtig, den Mut zu haben, diesen zu korrigieren.

Ich habe gelernt, etwas geduldiger zu sein, das heißt, mich nicht drängen zu lassen, sondern das Heft des Handelns selbst in der Hand zu behalten.

Gerade bei großen Veränderungen gilt es, die Belange vieler zu berücksichtigen.

Mir ist  wichtig, nicht nach einer x-beliebigen Lösung zu suchen, sondern nach der besten Lösung für alle Beteiligten.

Ich suche heute auch ganz bewusst schon sehr früh das Feedback von Kollegen und Kolleginnen aus unterschiedlichen Bereichen im Unternehmen. Das hilft mir, einen noch besseren Blick auf das Ganze zu erhalten und möglicherweise Bereiche zu identifizieren, die ich vielleicht vorher so nicht im Fokus hatte.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Man muss für sich selbst ein klares Ziel haben, was man verändern will und wie der Umsetzungspfad aussieht. Dazu gehört, frühzeitig über die Gründe für Veränderungen zu kommunizieren – mit dem Ziel: Akzeptanz zu schaffen und Unterstützer zu gewinnen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man für eine erfolgreiche Umsetzung von Veränderungsprojekten ein starkes Team um sich braucht. Das bedeutet ebenfalls: Ich muss als Führungskraft loslassen können, Verantwortung abgeben und Aufgaben delegieren. So gelingt es einem, immer wieder den Blick für das Wesentliche zu behalten und das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Mein letzter Tipp wäre, Widerstand zu akzeptieren. Veränderungen führen auch immer zu Bedenken und nicht zu selten Ängsten unter den Mitarbeitenden. Führungskräfte sollten sich dem stellen und versuchen, auch immer wieder die Sichtweise der Betroffenen einzunehmen. Nur dann gelingt es meiner Meinung nach, tragfähige Lösungen zu finden und Widerstände zu überwinden.

 

changement! Heft 08/2023

 

Autorin

Dr. Martina Niemann
ist seit 2020 Vorständin Finanzen und Controlling sowie Angebotsmanagement der DB Cargo AG. Die promovierte Volkswirtin arbeitete nach dem Studium zunächst als Venture-Capital-Managerin, seither liegt ihr beruflicher Schwerpunkt in der Mobilitäts- und Logistikbranche. Nach einem Start im Beteiligungsmanagement der Lufthansa AG wechselte sie als Leiterin Controlling für das Reisebüro-Geschäft in den Kaufhof-Konzern. Ab 1995 hatte Martina Niemann dann verschiedene Führungspositionen bei der Deutschen Bahn AG inne. Anfang 2012 ging sie als Personalchefin zur Fluggesellschaft Air Berlin und übernahm 2018 in der Lufthansa AG das Personalmanagement für die Lufthansa Airlines.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Helen Reck, HUK-Coburg“

Fünf Fragen an Helen Reck, Konzernvorständin, HUK-COBURG

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Helen Reck unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

… die Neuaufstellung eines großen Konzerns, dem mehr als die Hälfte seiner Einnahmequellen wegfielen. Er stand mit dem Rücken zur Wand. Wir haben ein profitables, neues Geschäftsmodell entwickelt.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

… Schon immer war positive Veränderung geprägt von guter Analyse, smarten Köpfen und – in der Umsetzung – durch all die Menschen, die sie treiben. Aber heute reicht das allein nicht aus. Ein Problem „in sich“ zu betrachten, ist nicht genug. Denn Rahmenbedingungen können sich unglaublich schnell ändern. Man denke nur mal an die jüngsten Beispiele: KI, Corona, Krieg, Lieferengpässe – Entwicklungen kamen in kürzester Zeit und teilweise fast über Nacht. Und Nachhaltigkeit bei fast jeder Fragestellung mitzudenken, gilt sowieso.

Deswegen klappt es nicht mehr, ein sauberes Konzept zu erarbeiten und dieses auszurollen. Veränderungsumsetzung ist nicht „linear planbar“. Man muss mit seinen Maßnahmen anpassungsfähig bleiben, sich verändernde Rahmenbedingungen kontinuierlich mitdenken und entsprechend agil vorgehen.

Die Veränderungsgeschwindigkeit steigt exponentiell an. Positiv umformuliert:

Veränderung wird nie wieder so langsam vonstattengehen wie heute.

Deswegen: Aufspringen und einfach machen.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

1) Den Kundennutzen verstehen

Am wichtigsten ist es, den Kundennutzen zu verstehen. Das bedeutet, mit einer sauberen Analyse zu beginnen.

Welches Problem lösen, welchen Kundennutzen stiften wir?
Diese Analyse ist nur der erste Schritt. Mathematisch ausgedrückt: Sie ist notwendig, aber bei Weitem nicht hinreichend.

2) Die Mitarbeitenden mitnehmen

Zur Umsetzung braucht es Menschen. Das heißt eigentlich immer: viel kommunizieren. Überzeugen (nicht überreden) und über die Ebenen hinweg nachhalten. Sonst ereilt Unternehmensstrategien das gleiche Schicksal wie das australische Wetterphänomen Virga: Virga ist ein Regen, der sich aus den Wolken löst, aber nie den Erdboden erreicht.

Übertragen auf den Unternehmenskontext: Unternehmensstrategien bleiben dann irgendwo zwischen Vorstandssitzungszimmer und operativer Ebene hängen und verdunsten – und erreichen nie die Arbeitsebene, wo sie umgesetzt werden sollten.

3) Einen langen Atem bewahren und dranbleiben

Veränderungen sind meistens Langstreckenläufe, keine Sprints. Wobei agile Sprints meiner Erfahrung nach gut dazu geeignet sind, die Motivation in einem solchen Langstreckenlauf hochzuhalten.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

… Ich habe vor fast 20 Jahren meinen Werdegang bei der Unternehmensberatung McKinsey begonnen. Was man als Beraterin unter anderem lernt, ist ein Handwerkszeug, das jede und jeder braucht: grundlegende strategische Analyse. Berater können manchmal dazu neigen zu denken: „Jetzt haben wir doch analysiert und aufgeschrieben, was man machen muss, jetzt muss man das doch nur noch umsetzen.“

Dieses „nur noch“ ist falsch. 90 Prozent der Arbeit fängt dann erst an. Erfolgreiche Veränderung kann immer nur durch und mit Menschen klappen, die diese umsetzen. Diesen Faktor kann man gar nicht zu hoch einschätzen.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

  1. Das Wichtigste ist: beim Geschäft bleiben bzw. beim Problem, das es zu lösen gilt. Veränderung darf kein Selbstweck sein.
  2. Co-Creation: das heißt, erarbeite die Lösung mit den Betroffenen zusammen, das macht das Ergebnis lebensfähig – und auch robuster gegenüber sich ändernden Rahmenbedingungen, weil mehrere Blickwinkel zusammenkommen.
  3. Keine Angst vor KI: neue Tools nutzen und einfach mal ausprobieren.

… und last, but not least: genug schlafen. Das würde ich jedem empfehlen, nicht nur einer Führungskraft im Veränderungsprojekt.

 

changement! Heft 07/2023

 

Autorin

Dr. Helen Reck
verantwortet als Konzernvorständin bei der HUKCOBURG „People & Culture“, Recht, Compliance und den Operations-Bereich Konzernservices. Ihr Ressort hat sie konsequent an der Geschäftsstrategie der HUK-COBURG ausgerichtet. Begonnen hat sie ihre Karriere als Unternehmensberaterin bei McKinsey& Company. Später war sie unter anderem Head of HR bei der internationalen Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Anna-Theresa Korbutt, Hamburger Verkehrsverbund“.

Fünf Fragen an Anna-Theresa Korbutt, Geschäftsführerin, Hamburger Verkehrsverbund

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Anna-Theresa Korbutt unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

Ich würde diese Frage gerne auf zwei Wegen beantworten:

Menschlich: Die Existenzsicherung eines Unternehmens, das durch viele Fehlentscheidungen der Vergangenheit in massive finanzielle Schieflage geraten war. Es hat mich sehr viel Energie und Willen gekostet, dieses Unternehmen trotz aller negativen Vorzeichen wieder auf die Beine zu stellen und somit zahlreiche Arbeitsplätze mitabgesichert zu haben.

Fachlich: Die Umsetzung und Mitentwicklung des Deutschlandtickets als das ÖPNV-Tarifangebot der Zukunft. Nach 20 Jahren in der Verkehrsbranche hat das Deutschlandticket dem ÖPNV endlich auch ein Gesicht gegeben. Die erfolgreiche Einführung im Hamburger Verkehrsverbund und der „Drive“ aller beteiligten Parteien hat mich sehr stolz gemacht.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

„Menschen“ und „Ereignisse“. Das Große und Unmögliche kann dann am besten bewegt werden, wenn die richtigen Menschen für eine gemeinsame Sache kämpfen. Es ist der Spirit und die Einstellung, etwas verändern zu wollen; es sind Menschen, die von Natur aus Macher sind, die in sich den Drang haben, das Leben bzw. die Arbeit ein Stückchen besser machen zu wollen. Es sind natürliche Leader, die es schaffen, andere mitzureißen und deren Energie positiv zu bündeln. In der Kombination mit einem externen Ereignis, das Veränderung zwingend erfordert, gelingen Veränderungen dann schnell und erfolgreich.

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

Übernimm Verantwortung für dein Handeln. Steh dafür ein und gib deinen Kolleg:innen Rückendeckung, wenn sie diese brauchen.

Habe Mut und sei gewissenhaft in dem, was du tust. Schüttle Gepflogenheiten ab und konzentriere dich auf das, was du erreichen möchtest. Lass dich nicht ablenken von dem, was bisher immer schon so war.

Hab Vertrauen in dich und deine Kolleg:innen. Vertraue dir selbst und anderen. Nicht jede Entscheidung ist von Erfolg gekrönt, aber es ist immer noch besser, als nichts zu tun.

Und außerdem: Passion. Leidenschaft für das, was man tut, ist ein immens wichtiger Faktor, der Berge versetzen und Widerstände aufbrechen kann.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

Den Kolleg:innen und mir selbst mehr Zeit für den Veränderungsprozess geben.

Auch wenn das Ziel klar ist, ist es immens wichtig, der Veränderung Zeit zu geben.

Ja sogar dem Team und sich selbst eine Verschnaufpause zu gönnen. Einfach die Dinge mal liegen lassen und von oben drauf schauen, was man alles schon erreicht hat. Den zurückgelegten Weg reflektieren und Stolz und Freude zulassen. Das gibt einem Kraft für die nächsten Schritte und erhöht das „Bonding“ aller beteiligten Parteien.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Durchhalten. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Veränderungsprozesse zu führen und zu begleiten, beinhaltet, vieles zu erleben und zu hören, was nicht so gut ist, was falsch ist, was nicht gewollt ist.

Man muss erkennen, dass man vielleicht nicht jeden von der notwendigen Veränderung überzeugen kann.

Das darf einen nicht verzweifeln lassen. Es gibt in jedem Projekt Rückschläge. Und bei Veränderungsprozessen sind diese oftmals nicht fachlicher, sondern menschlicher Natur.

Menschen und ihre Emotionen lassen sich nicht auf Charts und in Excel schreiben. Das braucht Zeit, Gespräche, Interaktion. Veränderung löst erst mal Stress aus. Diesen auch negativen Punkten auf dem Weg der Transformation muss man als Projektleiter:in gut begegnen können. Manchmal kann das Frust auslösen – man will etwas Gutes, aber keiner sieht es. An diesem Punkt angelangt, muss man sich Zeit nehmen, mit anderen Peers im Projekt Gespräche führen. Vieles relativiert sich wieder. Durchhalten.

 

 

changement! Heft 06/2023

 

Autorin

Anna-Theresa Korbutt
ist Geschäftsführerin bei der Hamburger Verkehrsverbund GmbH. Zudem ist sie Aufsichtsrätin bei WESTbahn. Ihre Karriere begann sie bei der Deutschen Bahn. Es folgten Stationen bei der BLS AG (Schweiz), den ÖBB (Österreich) und der BEXity GmbH, bevor sie Anfang 2021 zum Hamburger Verkehrsverbund wechselte.
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Ihnen hat das Format „5 Fragen an…“ gefallen? Hier finden Sie einen weiteren Beitrag dazu: „5 Fragen an Caroline von Kretschmann, Hotel Europäischer Hof Heidelberg“,

Fünf Fragen an Caroline von Kretschmann, geschäftsführende Gesellschafterin, Hotel Europäischer Hof Heidelberg

Bislang hat sich im Change Management noch kein Konzept als ultimativ richtig erwiesen. Veränderungen in Organisationen verlaufen höchst unterschiedlich. Deshalb sind die Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke der Verantwortlichen auch so verschieden. Uns interessiert die persönliche Perspektive von erfolgreichen Managern und Managerinnen. Diesmal stellt sich Caroline von Kretschmann unseren fünf Satzeröffnungen.

Meine bislang größte/wichtigste Business Transformation war …

… und ist die Ausrichtung unseres in dritter und vierter Generation geführten Familienunternehmens auf unsere Vision „Das herzlichste Luxushotel und das persönlichste 5-Sterne-Stadthotel Deutschlands zu werden“ sowie einen Ort zu schaffen, an dem Menschen glückliche Momente erleben. Dies beginnt für uns im Europäischen Hof in Heidelberg mit den Kolleginnen und Kollegen, die wir bewusst nicht Mitarbeitende nennen und die bei uns an erster Stelle stehen – noch vor dem Gast und weit vor dem Unternehmen. Uns treibt dieser höhere Sinn, der weit über das Ökonomische hinausgeht und als zentrale Idee sämtliche Energien im Unternehmen konzentriert.

Veränderungen von Unternehmen sind aus meiner Erfahrung im Wesentlichen geprägt durch …

… Ambivalenz: zwischen Veränderung und Kontinuität, zwischen Altem und Neuem, zwischen Stabilität und Instabilität, zwischen Lernen und „Ver-Lernen“, zwischen Vorgabe und Beteiligung, zwischen Angst und Zuversicht und so weiter. Ambivalenztoleranz und Ambivalenzkompetenz sind daher aus meiner Sicht wichtige Fähigkeiten in Change-Prozessen, die es erlauben, zwangsläufig auftretende Unsicherheiten und mehrdeutige bzw. widersprüchliche Situationen nicht nur zu ertragen, sondern diese zu integrieren und einen konstruktiven Umgang mit ihnen zu ermöglichen.

Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren von Change Management sind für mich …

  1. Ein attraktives, begeisterndes Zukunftsbild, das die Veränderung abbildet und die Frage nach dem „Warum“ beantwortet. „Ohne Ziel stimmt jede Richtung“. Nach meiner Erfahrung:
  2. Eine klare, transparente und Vertrauen schaffende Kommunikation: Organisationen sind soziale Systeme, das heißt Kommunikationssysteme. Daher ist die Kommunikationskompetenz der Führung ganz grundsätzlich und insbesondere in Change-Prozessen einer der zentralen Erfolgsfaktoren. Kommunikation fokussiert die Aufmerksamkeit, schafft das für die Veränderung essenzielle Vertrauen, sorgt für die erforderliche Güte der Beziehungen und macht Betroffene bzw. „Opfer“ zu Beteiligten und im besten Fall zu „Urhebern und Urheberinnen“.
  3. Die Bereitschaft und die Kompetenz, mit den notwendigerweise auftretenden „negativen“ Begleiterscheinungen von Veränderung einfühlsam umzugehen: „Echtes Neues“ erzeugt immer auch Widerstand und Verunsicherung, da „Albewährtes“ infrage gestellt wird. Die Folgen dieser konstruktiven Destabilisierung und Irritation des „Alten“ sollten im besten Sinne empathisch aufgefangen und genutzt werden.

Nicht alles gelingt. Was ich bei Veränderungen in meiner Verantwortung künftig anders machen werde oder was ich durch Lernen aus früheren Fehlern heute bereits anders mache, ist …

… mich möglichst nicht mehr mit meinem oder unserem Ziel und dem angedachten Lösungsweg zu identifizieren, sondern offen zu sein für erwartbare und notwendige Variationen.

Obwohl und gerade weil man mit einem klaren Ziel oder einer eindeutigen Vision gestartet ist.

Mein persönlicher Tipp an eine Führungskraft, die Verantwortung für ein Veränderungsprojekt übernimmt, lautet:

Mein Tipp wäre etwas, das sich bei uns auch im Nachfolgeprozess als hilfreich erwiesen hat. Fokussiere einseitig nicht nur das Neue und was sich verändern soll, sondern achte auch auf das, was sich bewährt hat und stabil bleiben muss, damit Veränderung gelingen kann und anschlussfähig ist. Es lohnt sich, wie bei fast allem im Leben, die Balance und das Spannungsverhältnis zu wahren, zwischen Neuem und Altem, zwischen konstruktiver Destabilisierung und stabilisierender Kontinuität und zwischen Fluss und Form.

 

 

changement! Heft 03/2023

 

Autor

Dr. Caroline von Kretschmann
ist geschäftsführende Gesellschafterin des Europäischen Hofs in Heidelberg. Sie führt das 5-Sterne-Superior-Hotel in vierter Familiengeneration. Nach einer Lehre bei der Deutschen Bank Frankfurt studierte sie Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen, wo sie auch promovierte. Vor dem Eintritt ins Familienunternehmen 2010 war sie 15 Jahre als Strategie- und Organisationsberaterin tätig. Zudem gründete sie 2010 mit Melanie Frowein die Komplementärberatung DUE CONSULTANTS. Neben zahlreichen Ehrenämtern ist sie Vizepräsidentin des Verbandes „Die Familienunternehmer“.
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